Noch vor wenigen Jahren war es fast schon Gewohnheit: Start-ups in Europa und auch in der Schweiz erhielten Bewertungen, die selbst mit optimistischen Wachstumsannahmen schwer zu rechtfertigen waren. Venture Capital folgte dem globalen Trend, immer höhere Rundenvolumina zu zeichnen, begleitet von Multiples, die mehr Vision als Realität abbildeten. Heute ist das Bild ein anderes. Die Bewertungen normalisieren sich – und das ist für Investoren eher eine gute Nachricht als ein Grund zur Sorge.
2025 zeigt sich klar: Venture Capital in der Schweiz ist reifer geworden. Gründerteams und Investoren wissen, dass die Zeiten der überhitzten Märkte vorbei sind. Deals werden wieder nach klassischen Kriterien geprüft: Umsatzentwicklung, Kostenstruktur, adressierbarer Markt, operative Exzellenz. Das heisst nicht, dass grosse Visionen an Bedeutung verlieren. Aber sie müssen mit belastbaren Zahlen hinterlegt sein. Für Investoren entsteht dadurch ein Umfeld, das weniger spekulativ und dafür nachhaltiger ist.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während die Gesamtzahl der Transaktionen im Vergleich zu 2021 und 2022 zurückgegangen ist, sind die Medianbewertungen in vielen Sektoren realistischer geworden. Biotech, Cleantech und spezialisierte Softwarefirmen ziehen weiter Kapital an – nur eben nicht mehr zu Fantasiepreisen, sondern zu Niveaus, die echte Renditepotenziale eröffnen. Investoren, die bereit sind, genauer hinzusehen und Substanz von Schein zu unterscheiden, sichern sich bessere Einstiege.
Für Start-ups bedeutet die Korrektur nicht das Ende, sondern eine Kurskorrektur in Richtung Bodenhaftung. Wer ein klares Geschäftsmodell und nachvollziehbare Kennzahlen präsentieren kann, hat weiterhin Zugang zu Kapital. Wer jedoch nur auf Storytelling setzt, wird es schwerer haben. Das macht den Markt gesünder. Denn es stärkt die Teams, die wirklich Wert schaffen können – und filtert jene aus, die ohne solide Basis unterwegs sind.
Investoren profitieren gleich doppelt. Erstens sinkt das Risiko, überteuert in Unternehmen einzusteigen, die später keine Anschlussfinanzierung finden. Zweitens steigen die Chancen auf langfristig tragfähige Renditen, wenn Bewertungen und Wachstumsperspektiven im Gleichgewicht sind. Venture Capital wird dadurch nicht weniger attraktiv – im Gegenteil. Es verliert den Hype-Charakter und gewinnt die Rolle, die es im Kern immer hatte: Finanzierung von Innovation mit realwirtschaftlichem Potenzial.
Gerade in der Schweiz mit ihrer starken Forschungslandschaft und soliden Unternehmerbasis ist das eine gute Entwicklung. Lokale Investoren haben die Möglichkeit, sich in Unternehmen einzukaufen, deren Multiples nachvollziehbar sind und deren Chancen sich konkret einschätzen lassen. Das schützt nicht nur das eingesetzte Kapital, sondern erhöht auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Ökosystems. Internationale Investoren nehmen diesen Wandel ebenfalls wahr – und bewerten die Schweiz dadurch zunehmend als verlässlichen Markt, in dem Risiko und Rendite wieder in einer gesunden Balance stehen.
Die Bewertungskorrektur im VC ist kein Rückschritt. Sie ist die Rückkehr zu einem Markt, in dem Substanz zählt. Für Investoren bedeutet das: Weniger FOMO, mehr Qualität. Weniger Hochpreis-Hypes, mehr reale Chancen.